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Abdi

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Griechenland

2020

Auszüge aus Interview

„Meine Mutter hat als sehr junge Frau meinen Vater kennengelernt. […] Ich vermute, dass da nicht viel Freiraum war. Man hat sie gesehen mit diesem deutschen Mann, und dann musste die Verlobung bekannt gegeben werden. […] Meine Vermutung ist auch, Deutschland war das verheißungsvolle Land.“ 

„Ich sollte in Griechenland zur Welt kommen, weil mein Vater auf Kreta eine Zweigstelle seiner Firma aufbauen sollte. Und das ist nur nichts geworden, weil es politisch diese Militärdiktatur gab, und da haben sie das gecancelt. Sonst wäre meine Biografie eine andere. […] Ich bin komplett in Deutschland aufgewachsen, ich war ja nur ein halbes Jahr dort, dann kam der Militärputsch, und dann sind wir wieder hierher.“

„Das Dorf, wo meine Mutter geboren wurde, da gab es ein Massaker der Nazis. […] Weil der Vater meiner Mutter Architekt war und ein Projekt hatte, sind die zwei bis drei Jahre vorher weg. Das hatte mich sehr berührt. Und da heiratet die dann einen Deutschen und geht nach Deutschland?“

„Zu Hause wurde griechisch konsequent von der Mutter gesprochen, mit dem Vater deutsch. Sie wollte das griechische auch an uns weitergeben. Und dafür bin ich auch dankbar. Sonst hätte ich es ja nicht gelernt.“ 

„Ich war auf der katholischen Mädchenschule und untendrunter hatte die griechische Gemeinde sich eingemietet. Mittwochs bin zum Schulgottesdienst gegangen und Sonntag bin ich dann da hin. Die Katholiken machen ihr Kreuz praktisch anders herum. Bei den Katholiken habe ich es nicht groß erwähnt und den Griechen war es egal.“  

„Die griechische Familie war aber sehr präsent. Der Urlaub musste in Griechenland gemacht werden bei der Familie. […] Alles, was wir an Redewendungen können, haben wir uns natürlich dort angeeignet. Meine Erinnerungen sind: Meer, Kaffeetrinken, Rumhängen. […] Das war Freiheit, Sonne, Meer, und die Mutter ist gut drauf. Die Mutter, die hier nie wirklich angekommen ist, war dort glücklich.“

„Als es die griechische Gemeinde gab, gab es vor allem griechische Musik. Da ist meine Mutter immer aufgeblüht. […] Und es gab einen Radiosender, der griechische Musik gespielt hat. Das hat meine Mutter immer aufgenommen. Nachrichten gehört und getanzt. Und dann natürlich das griechische Essen …. Ich erinnere mich an Pastitio (Nudelauflauf) und Pita (vor allem mit Spinat).“

„Manchmal gibt es das bei uns auch. Aber man braucht so bestimmte Blätter. Die gibt es hier nicht so gut. Die habe ich jetzt bei einem Türken gefunden. Das darf ich aber keinem Griechen erzählen, dass ich die bei einem Türken kaufe. […] Die Türken haben ja Griechenland besetzt für 400 Jahre, und das muss auch grausam gewesen sein, aber ich finde, dass die das Feindbild immer fortführen. Das ist auch meine Kritik.“

„Ich hatte eine türkische Freundin auf dem Gymnasium – wir sind aber ja schon wieder eine Generation weiter – wir haben darüber geschmunzelt und gesagt, die türkische und die griechische Musik sind schon sehr ähnlich. Obwohl wir das unseren Eltern nicht sagen durften.“

„Erst später habe ich mich gefragt, wo ist meine Heimat? Heimat ist Deutschland. Heute würde ich sagen, Dresden ist der Ort, wo ich am meisten Ich sein konnte […], der Ort meiner Selbstwerdung. Ich tue mich sehr schwer mit dem Heimatbegriff. Mein Mann schwärmt von seiner thüringischen Heimat. Solche Gefühle habe ich nicht. Vielleicht liegt es an den zwei Kulturen? Vielleicht liegt es auch an meiner Mutter und dem Kulturkreis, die nicht akzeptieren können, dass die Kinder sich irgendwann lösen und ihr eigenes Leben leben?! Die Eltern wollen, dass die Kinder in der Familie bleiben und das fortführen. Ich bin also ein bisschen anders als die Deutschen und ein bisschen anders als die Griechen. Als Kind fand ich das einfacher. Jetzt spüre ich das stärker.“

„Ich musste mich von Griechenland auch distanzieren. Wenn Leute mich sehen, haben sie bestimmte Erwartungen an mich. Ich gebe mich auch gerne gar nicht zu erkennen. Ich war ja jetzt gerade in Griechenland. Jetzt erwacht wieder eine Lust, zu kochen, griechisch zu sprechen.“

„Ich habe wenig an die Kinder weitergeben können. Beim ältesten Kind wollte ich das noch. Es ist schwer ohne griechische Community. Mein Mann spricht ja auch kein griechisch. Deutsch ist ja auch meine stärkere Sprache, und ich will mit meinem Kind ja auch nicht in meiner schwächeren Sprache sprechen. Es gab zu wenig Unterstützung. Jetzt ist mein griechischer Anteil mehr erkennbar.“

„Meine Mutter hat Ausgrenzung gefühlt. Sie hat es auch dazu gemacht. […] Ich mache aber ein Fragezeichen dahinter. Vielleich hat sie das vielleicht auch so für sich interpretiert. Das war ja auch die deutsche Nachkriegsgeneration. Vieles ging vielleicht gar nicht so gegen sie. Aber sie hat es so gedeutet.“

„Besonders gut kann ich mich einfühlen, wenn Menschen kommen aus den Kulturkreisen, wo die Familien besondere Ansprüche an die Kinder haben. Die wollen ihre Werte erhalten. Manche Menschen fliehen auch vor ihrer Familie.“

„Integration bedeutet für mich, die Sprache richtig zu lernen, die Auseinandersetzung mit Kultur und das Land zu bereisen. […] Noch mehr gehört für mich aber Wertschätzung dazu, für das Land und die Leute, wie sie sind.“

„Migrationshintergrund hat so ein bisschen ein Geschmäckle. Das hat auch etwas Abwertendes. Durch den Skandal in Potsdam ist das jetzt noch gestiegen. Ich würde zu denen gehören, die man jetzt vielleicht abschiebt.“ 

„1994 bin ich nach Sachsen gekommen. Meine Mutter hat mir bis zum Schluss nicht verziehen, dass ich so weit weg bin. […] Als ich hierherkam in die Region war ich Ende 20. Besonders war, dass es Raum für das Zufällige gab. Westdeutschland war ja damals schon so sehr durchgeplant, da gab es keine Lücken für das Zufällige. Hier gab es die, es war noch Niemandsland. Hier gab es auch mal einen verwunschenen Garten, wo man sich dann traf. Das war das Aufregende für mich. Ostdeutschland hat mich sehr an Griechenland von damals erinnert. Das war mir sehr vertraut. Es gab eben nur eine Creme und nicht so viele Werbeplakate.“

„Zu dieser Zeit gab es nur das Thema Ossi oder Wessi. Da spielte es keine Rolle, ob ich Griechin bin. Ich habe aber, um mich aus der Affäre zu ziehen immer gesagt, ich komme aus Griechenland. Das war besser, als Wessi zu sein. Heute würde ich genauso antworten, aber die Frage wird nicht mehr so oft gestellt. Manchmal war ich auch verletzt und gekränkt, da habe ich dann offen gesagt, ich bin Wessi und wollte auch wieder zurückkehren. Heute ist das nicht mehr so sehr Thema.“

Fotos: David Nuglisch

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