
Katja P.
Belarus
2022
Auszüge aus Interview
„Wir haben der älteren Tochter alles erzählt, wir haben geweint. […] Wir haben alles angeschaut. Sie unterhalten sich auch mit ukrainischen Kindern, Freundinnen. Es wurde auch im Unterricht besprochen. Die jüngere Tochter hat es nicht verstanden.“
„Dann kam Nachricht, Männer dürfen das Land nicht verlassen. Männer sollen kämpfen. Dann dauerte es eine Zeit, bis wir herausfanden, dies betrifft uns nicht, weil wir eine andere Staatsbürgerschaft haben.“
„In den ersten Tagen nach dem Angriff sahen wir die Bilder, wie Familien mit Kindern an der Grenze stehen, und du begreifst, dass dein Kind es nicht schafft mit seiner Erkrankung. Keine Erkältung darf sein, keine lange Strecke, wir haben mehrmals überlegt, was wir machen.“
„Die Frau, bei der wir in Moldowa waren, kannten wir gar nicht. Ich habe die ersten Tage auf dem Bett angezogen geschlafen. Ich konnte mir nicht vorstellen, einfach in einem fremden Bett zu schlafen. Nicht für mich unangenehm - sondern für fremde Frau.“
„Man hat Gefühl, dass man keine Wurzeln hat. Heimat ist dort, wo meine Familie ist. Heimweh habe nicht zu Städten, aber zu den Orten, wo ich meine Kindheit verbracht habe, wo meine Kinder mit meinen Eltern zusammen waren.“
„Die ersten Wochen braucht man, um seinen Körper zu heilen. Du isst, aber du hast keinen Geschmack von dem Essen. Du erlaubst dir nicht, etwas zu kaufen (etwas Lustiges oder so). Man hat immer so ein Gefühl, als sei man schuldig. Du bist am Leben, du bist nicht in Gefahr, deine Familie ist mit dir und es hat sehr lange gedauert. […] Das Gedächtnis bleibt in der Ukraine.“
„Der Pass hat nichts zu tun mit der Identität. Wenn es möglich ist, würde ich meinen Pass nicht tauschen. Es gibt viele Belarussen, die haben einen deutschen Pass und helfen vielen Belarussen. Es hat nichts damit zu tun, was im Pass steht. Meine Nationalität ist Belarus – egal, welcher Pass.“
„Am 21. März sind wir in Deutschland angekommen. Am 28. März 2022 habe ich an einem Gymnasium angefangen, Kindern zu helfen mit der Übersetzung. Das Gymnasium suchte Lehrer, die mindestens zweisprachig waren. Das hat mir Gefühl gegeben, dass ich nicht einfach so auf dem Platz sitze, dass ich in diesem Zustand helfen kann.“
„Wir sollen nicht dem Krieg erlauben, das Leben zu beeinflussen. Du hast jetzt die Chance, draußen Kaffee zu trinken oder Geburtstag zu feiern – dann tu es für die Menschen im Krieg. Sonst hat es keinen Sinn, ist der Kampf für nichts.“