
Mamadou B.
Guinea
2016
Auszüge aus dem Interview
„Ich bin Leuten gefolgt, die sagten, sie wüssten, wie man nach Europa geht. Sie sprachen die gleiche Sprache […] Manchmal, wenn wir kein Geld hatten, mussten wir laufen, z. B. an der Grenze von Algerien nach Libyen […]. Da gab es keine Transporte mit dem Auto, nichts. Aber wir mussten Leute bezahlen, die den Weg kannten, damit man keine Probleme kriegt. Die ganze Zeit hatte ich keinen Kontakt zu meiner Mutter und meiner Familie. Meine Mutter weiß, dass ich in Europa bin. Ich habe jemanden auf Facebook getroffen, der mich kennt, der hat mal ein Handy zu meiner Mutter gebracht, und wir haben gesprochen. Seitdem habe ich keinen Kontakt zu meiner Mutter gehabt. Das letzte Mal von sechs Monaten.“
„Und dann war ich in Libyen. Ich wollte dann zurückgehen in mein Land. Ich habe gesehen, viele Leute sterben im Wasser. Wir haben auch Probleme gehabt beim ersten Mal und […] mussten schwimmen. Es gibt extra Leute in Libyen, die haben ein Boot mit Motor, wenn die uns gesehen haben, dann mussten wir 500 Euro bezahlen. Und die schickten uns zurück, nachdem wir zwei Stunden im Wasser waren. Sie haben uns in eine andere Stadt geschickt Dort mussten wir arbeiten, (drei Monate), […] im Maisfeld. […] Dann wurden wir in ein Haus gebracht, und jeder musste bezahlen, wenn man rausgeht. Einmal habe ich gesagt, ich gehe nicht mehr, sonst werde ich hier sterben. Da wollte ich zurück nach Guinea. Einige von uns haben gesagt, wir kommen mit. Man hat auf uns geschossen, einer ist gestorben, ich wurde auch getroffen.“
„Ich habe jemanden getroffen, der schon länger in Libyen ist, er arbeitete in einer Apotheke. Ich habe ihn um Hilfe gefragt. Ich blutete, er hat mir geholfen, mich genäht. Er hat gesagt, er kennt jemanden. ´Du kannst für ihn arbeiten.´ […] Ich habe ihn gefragt, ob er mir helfen könnte, in mein Land zu gehen und er sagte: ´Ich habe keine Ahnung!´ Ich wusste nicht, wie ich wieder in mein Land zurückgehen kann. Irgendwann sagte er, wenn du nach Europa gehen willst, kann ich dir helfen. Ein Kumpel bringt Leute nach Europa. Ich habe gesagt o.k.. Ich wollte aus Libyen raus. Ich wurde in dem Ort immer geschlagen und musste Männern Geld geben. Sie haben gesagt, sie nehmen mich sonst mit. […] Es gab für mich keinen Weg zurück.“
„Es war ein Boot aus Plastik, 125 Leute in einem Boot, auf ca. drei Meter Länge. Sie kamen aus vielen verschiedenen Ländern, auch Frauen und Kinder. Ich habe diese Menschen das erste Mal dort getroffen. Der Bruder des Organisators hat das Boot gefahren. Wir haben ein Schiff vom Roten Kreuz gesehen. Der Motor wurde demontiert, in das Boot seines Bruders gelegt; sie sind überstiegen und zurück nach Libyen gefahren. Das große Schiff kam zu uns, und sie haben uns an Bord genommen.“
„Wir sind in einen italienischen Hafen gefahren, ich war schwer verletzt. Ich war eine Woche im Krankenhaus und kann mich an die Zeit kaum erinnern. Wir wurden getrennt: Leute über 18 und unter 18. Dann war ich in einem Wohnheim. Ich war drei Monate dort. Ich konnte nicht zur Schule gehen, wollte aber gerne. Dann haben sie mir Geld gegeben und gesagt, ich kann gehen, wohin ich möchte, dann bin ich nach Deutschland gegangen.“
„Wir haben Leute getroffen, die haben gesagt, Deutschland ist besser. Wenn du in die Schule gehen willst oder eine Ausbildung machen möchtest, geh nach Deutschland. Nach acht Monaten habe ich entschieden, ich gehe nach Deutschland.“
„Ich hatte am Anfang einen kleinen Ring von einer Freundin dabei und ein kleines Nokia-Handy, das habe ich alles verloren. Als ich in Deutschland angekommen bin, hatte ich nur die Kleidung, die ich an mir trug. […] In Deutschland durfte ich mir als erstes eine dicke Jacke, Schuhe und eine Hose kaufen. Es war sehr kalt.“
„Ich habe in Deutschland den Hauptschulabschluss gemacht und mache jetzt eine Ausbildung. Ich wollte immer etwas lernen – auch in meinem Land. Das ging mit meiner Mutter in Guinea nicht.“
„Mir gefällt in Sachsen die Sicherheit und Ruhe. […] Bei rassistischen Anfeindungen ignoriere ich sie. Ich kann nichts für meine Haut. Es gibt immer auch gute Leute.“
„Was ist deutsch: Ordnung, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit (ich habe schon zweimal mein Portemonnaie verloren mit Geld und habe es wiederbekommen) - so etwas gefällt mir.“
„Mein Traum ist es, hier zu leben und eine Familie zu gründen. Ich kann meine Familie in Guinea im Moment nicht unterstützen, meine kleine Schwester geht noch zur Schule, mein Bruder fährt Motorradtaxi. Er wollte auch nach Europa kommen. Ich habe ihm gesagt, er soll es nicht tun. Ich bin fast gestorben.“
„Ich fühle mich halb deutsch, halb afrikanisch. Ich habe mich total verändert. Ich bin kein Deutscher, ich bin anders.“