Mai Lan

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Salaheldin

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Ruth

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Pavlo

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Michael

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Maryna

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Mamadou

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M. H.

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Agnes

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Dimitrie

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Ahmad

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Agnieszka

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Abdi

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Dimitrie Mierau

Sowjetunion / Russland

2007

Auszüge aus Interview

„In dem Dorf waren sie schon alle miteinander verwandt. Das ist das Dilemma, wenn man als Minderheit irgendwo anders ist. Da hat mein Vater entschieden, in eine weiter entfernte Gegend zu ziehen. […] Für meinem Vater war es sehr wichtig, ebenfalls eine deutschstämmige Frau kennen zu lernen. […] Mein Opa legte sehr viel Wert darauf, dass man bei seiner Ethnie bleibt. Es gibt aber auch in seiner Familie Geschwister, die keinen deutschen Partner geheiratet. haben. Zum Beispiel weiß ich, dass es auch ukrainische und russische Partner gab. Aber da gab es dann keinen Segen vom Opa.“

„Wir haben zuhause miteinander deutsch gesprochen. Unsere Sprache klingt aber eher wie norddeutsch, ein bisschen wie Plattdeutsch. Russisch wurde auf der Straße oder im Radio oder im Fernsehen gesprochen. Man hat das russische immer um sich gehabt. […] Man hat immer wieder darüber gesprochen, ob es für bestimmte Gegenstände ein deutsches Wort gibt.“

„Leider ist diese Sprache nicht mehr Bestandteil meines Lebens, weil meine deutsche Frau diese ja auch nicht spricht.“

„Es gab eine deutsche Schule in dem Dorf, wo meine Mutter herkommt. Die wurde aber in den 1960er Jahren geschlossen. Das heißt einige Verwandte, z.B. die ältere Schwester meiner Mutter sind noch in diese Schule gegangen. Das hat sie aber später sehr bereut, weil sie die Grundschule in Deutsch absolviert hat. Russisch war dort nur im Nebenfach. Später hatte sie Probleme in der weiterführenden Schule. Generell hatten die deutschen Probleme in den Schulen, weil wir ja auch unsere deutsche Muttersprache nicht gelehrt bekamen. […] Die Eltern haben gar kein russisch gesprochen. Innerhalb der Familie hat man ja nur deutsch gesprochen. Und in dem Ort in dem wir lebten waren nur Deutsche - wie ein gallisches Dorf. Sehr homogen untereinander.“

„Wir waren ja so viele Kinder. Die Kinder waren sich selbst überlassen. Meine Großmutter hatte ja zwölf Kinder. Sie war für den Haushalt zuständig. Da haben die Kinder früh angefangen zu arbeiten, z.B. in die Pilze gehen, Kühe hüten, Ausmisten, Vorräte anlegen. Das war eine unterentwickelte Landwirtschaft. Wir waren Selbstversorger. […] Meine Aufgabe war es, die Gänse zu hüten, später auch die Kühe und die Pferde. […] Aber andererseits hatte ich viele Freiheiten. Wenn man mit dem Pferd durch die Steppe reiten kann und so eine Mobilität erlebt mit sieben oder acht Jahren und die weite Landschaft entdeckt.“

„Die weiterführende Schule habe ich ja dann für zwei Jahre erlebt. Dort habe ich auch Ausgrenzung erfahren. […] Wir gehörten nicht zur Pionierorganisation, wir haben geschlossen protestiert. Und wir haben uns auch geschlossen aufgelehnt gegen diese institutionelle Ideologie. Das hat man natürlich immer wieder zu spüren bekommen. Manche konnten nicht studieren, man wurde auch immer mal wieder ausgelacht oder geschlagen.“

„Wir hatten große Kartoffelfelder, Himbeeren und Johannisbeeren. Und meine Mutter hatte immer ganz viele Blumen, alle Leute des Dorfes sind zu uns gekommen, wenn sie einen Blumenstrauß wollten. Mein Vater hat neben seiner Arbeit auf der Farm auch noch geschlachtet. Und wir haben sehr viele Milchprodukte hergestellt, zum Beispiel Butter und Käse. Dieser hatte die dann in Omsk (in der Stadt) verkauft. Dafür hat er uns dann viel mitgebracht, zum Beispiel Blumensamen oder auch mal Eis, das gab es bei uns nicht. Aber er fehlte natürlich, er war fast immer abwesend.“

„Alle unsere Namen hatten auch eine deutsche Entsprechung. Ich wurde z.B. Dieter genannt obwohl ich Dimitri heiße. Mein Opa wollte nicht, dass ich russisch heiße, aber mein Vater hat mir diesen Namen gegeben, damit ich mich mehr integriere. Damit man es auch leichter hat. Das war auch ein Modename zu dieser Zeit.“

„Wären wir dort geblieben, wäre ich auch Farmer geworden. In unserem Dorf war aber auch immer eine Bewegung, in Form von Wegzug. […] Diese Abwanderung war stets präsent. Eine Schwester meines Vaters ist schon 1976 nach Estland gegangen. Und dann zwei Jahre später nach Westdeutschland gezogen. Und wir haben auch immer Westpakete bekommen. Da weiß ich noch, da gab es zum Beispiel Pudding und Zimt, Dinge, die wir sonst nicht hatten, z. B. Gewürze. Und mein Vater hat dann 1989 seine Verwandten besucht und hat sich das ja alles angeguckt und hat entschieden, diesen Fortschritt möchte ich meinen Kindern nicht verwehren.“

„Und dann weiß ich noch: Wir haben so ein Familienkreis gehabt 1990. Er sagte, ich habe jetzt alle Papiere abgegeben. Seid ihr damit einverstanden? […] Und ich dachte, eigentlich geht es mir hier gut, aber wenn es in Deutschland so viel besser ist, dann lasst es uns dort probieren.“

„Die Christen bei uns im Dorf wurden stark unterdrückt. Die Bibel wurde verboten. Man dufte sich nicht versammeln - als Kirche. Die kommunistische Ideologie wollte keine Religion zulassen. 1992 als wir dann ausgereist sind, gab es aber schon einige Freiheiten. Rückkehr war aber keine Option für uns. Wir haben sofort mit der Einreise unsere Nachnamen geändert, verdeutscht. Es wurde vorher russifiziert, es fehlten einige Buchstaben. Und jetzt werden die mit einem langen ie geschrieben. So, wie es früher in den Papieren stand. Wir haben unsere sowjetischen bzw. russischen Pässe abgegeben und bekamen dann deutsche dafür. Wir haben uns klar entschieden, wir kehren zurück zu unseren Wurzeln.“

Fotos: David Nuglisch

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